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Endometriose: Eine Krankheit, die Millionen trifft

17.03.2025

Trotz ihrer hohen Verbreitung bleibt eine Erkrankung an Endometriose oft lange unerkannt. Ein Interview mit einer Medizinerin und einer Studentin der LMU, die beide daran arbeiten, das zu ändern.

Der März ist „Endometriose Awareness Month“. Seit 1993 arbeiten verschiedene Initiativen daran, jährlich zu einem festen Zeitraum die Öffentlichkeit für die Erkrankung zu sensibilisieren. Im Interview sprechen Dr. Susanne Beyer, stellvertretende Leiterin und Koordinatorin des Endometriosezentrums der LMU, und Medizinstudentin Maren Rothkegel, Endometriose-Patientin und Künstlerin, die in Slams und einem Video aufklärt, über den gesellschaftlichen Umgang mit der Erkrankung und neue Forschungsansätze.

Endometriose ist trotz der hohen Verbreitung nicht jedem bekannt, welche Symptome gehen damit einher und wie wird die Erkrankung festgestellt?

Maren Rothkegel: Endometriose ist eine chronische Erkrankung, bei der Gebärmutterschleimhaut-ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter wächst – etwa an den Eierstöcken, am Darm oder an anderen Organen. Es kann sich im Prinzip überall im Körper ansiedeln, meist aber im Bauchraum. Dieses Gewebe verhält sich wie die Gebärmutterschleimhaut: Es baut sich während des Zyklus auf und blutet ab, kann aber den Körper nicht verlassen. Dadurch entstehen Entzündungen und oft auch Verwachsungen. Diese Entzündungsherde flammen immer wieder auf, was für die Betroffenen zum Teil große Schmerzen verursacht.

Susanne Beyer: Für die Diagnose sind unter anderem die sogenannten „vier Ds“ wichtig, die verschiedene Schmerzen beschreiben: Dyspareunie, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Dysurie, also Schmerzen beim Wasserlassen, Dyschezie, das sind Schmerzen beim Stuhlgang, und Dysmenorrhö, Menstruationsschmerzen. Dazu kommt noch Sterilität, denn eine Endometriose kann auch zu Unfruchtbarkeit führen. Die meisten Patientinnen haben ein oder mehrere Symptome.

Warum wird die Erkrankung oft erst spät erkannt?

Maren Rothkegel: Die Krankheit ist sehr verbreitet, etwa zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter sind von Endometriose betroffen. Weltweit leiden also etwa 190 Millionen Menschen daran. Trotzdem dauert es bis zu einer Diagnose im Schnitt etwa acht bis zehn Jahre. Oft hören die Betroffenen so Sachen wie „Schmerzen während der Regel sind ganz normal.“ Und dann wird erst mal nichts unternommen.

Susanne Beyer: „Reiß dich zusammen, das gehört dazu“ – das hört man zum Glück heute seltener, aber leider immer noch. Dazu kommt, dass die Symptome, die mit der Endometriose einhergehen, für die Betroffenen oft schambehaftet sind. Schmerzen während der Periode, Schmerzen beim Sex, ein unerfüllter Kinderwunsch: Das sind Dinge, über die viele nicht gerne offen sprechen. Wobei wir in der Klinik Veränderungen beobachten: Die Frauen, die in unsere Endometriose-Sprechstunde kommen, fragen wir, wie lange sie die Beschwerden schon haben. Immer öfter höre ich inzwischen, dass es unter fünf Jahre sind.

Endometriose: inzwischen bekannter als früher

Die Aufklärungskampagnen zeigen also Wirkung?

Maren Rothkegel: Ich habe den Eindruck, dass die allmähliche Enttabuisierung schambehafteter Themen ihren Beitrag dazu leistet, dass die Krankheit bekannter wird und so auch schneller erkannt werden kann. Wir sprechen in der Gesellschaft offener über solche Dinge wie die Periode oder den Gender Gap – und nicht nur über die Endometriose, sondern auch über viele andere Krankheiten informieren sich Betroffene heute besser und sind eher bereit, auch darüber zu reden. Insgesamt werden die Patientinnen und Patienten eigenständiger und nutzen das Internet, um sich einschlägiges Wissen anzueignen. Das geht auch damit einher, dass Menschen, wenn sie in die medizinische Praxis kommen, nicht mehr davon ausgehen, dass der Arzt oder die Ärztin immer schon alles weiß.

Susanne Beyer: Tatsächlich habe ich in der Klinik den Eindruck, dass viele schon sehr informiert zu mir kommen. Immer öfter fordern die Frauen in der gynäkologischen Praxis auch ein, dass sie in eine Spezialsprechstunde wie die unsere überwiesen werden. Und auch Frauenärzte und Frauenärztinnen sind in den vergangenen Jahren sehr viel hellhöriger geworden, was die Symptome der Erkrankung betrifft. Die Krankheit ist noch nicht in aller Munde, aber viel bekannter als früher. Frankreich zum Beispiel hat mit einem „Endometriose-Jahr“ die Aufklärung darüber zur nationalen Sache erklärt, das hat viel geholfen. Und wenn dann noch so ein Rap-Video wie das von Frau Rothkegel dazukommt, umso besser.

Maren Rothkegel: Gerade zu Endometriose gibt es inzwischen sehr viele Informationen auch in den sozialen Medien, zum Beispiel Accounts, in denen Patientinnen aus ihrem Alltag berichten, aber auch ganz allgemein Aufklärung betreiben. Dadurch bilden sich bessere Netzwerke. Awareness-Kampagnen wie der „Endometriose-Monat März“ bewirken, dass der Diskurs angeregt wird.

Videoplayer

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Mit diesen Video möchten LMU-Studentin Maren Rothkegel und Künstlerin Julia Brumm auf die Erkrankung Endometriose aufmerksam machen. (Video und Foto: ©️juliful Creative Studio, Idee & Konzeption @julia.brumm)

28.01.2025

Forschung zu Endometriose

Kommt das Thema durch das gestiegene Bewusstsein auch in der Forschung stärker an?

Susanne Beyer: Der Prozess läuft ein Stück weit parallel – das Thema bekommt mehr Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und auch in der Forschung. Forschungsprojekte wie beispielsweise verschiedene Endometriose-Apps, die breit zugänglich sind und durch die große Mengen an Daten aggregiert werden können, tragen weiter dazu bei, das Wissen über diese Krankheit zu verbessern – bei den Betroffenen und bei den Behandelnden.

Dr. med. Susanne Beyer

koordiniert das Endometriosezentrum am Klinikum der LMU | © Klinikum der Universität München

Wie ist der Stand der Forschung im Augenblick? Welche Forschungsfragen stehen im Fokus?

Susanne Beyer: Endometriose bleibt aktuell eine nicht heilbare, chronische Erkrankung. Die Forschung ist sehr vielschichtig und behandelt mehrere Aspekte. Dazu gehört zum Beispiel, wie neue medikamentöse Therapien entwickelt werden können. Auch Fragen zur OP stehen im Fokus: Wann operieren wir, wann lieber nicht. Wie können wir die OP besser machen, zum Beispiel was die intraoperative Sichtbarkeit der Entzündungen angeht? Wie können wir die Versorgung verbessern? Die große Frage bleibt, warum manche Personen erkranken und andere nicht: Was ist der schützende Faktor oder wo ist der vulnerable Punkt?

Spannend ist zum Beispiel, welche Rolle das Immunsystem bei der Entstehung von Krankheiten spielt. Bei Krebserkrankungen wird dieser Aspekt bereits erforscht, da gibt es große Fortschritte. Bei der Endometriose stehen wir hier noch am Anfang. Wir untersuchen auch, inwiefern das Mikrobiom die Entstehung und den Verlauf der Endometriose beeinflusst, auch durch die Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Dadurch erhoffen wir uns zudem Fortschritte bei der Erforschung der Rolle des Stoffwechsels.

Wie wird die KI dabei eingesetzt?

Susanne Beyer: Die KI kann uns helfen, große Datensätze auszuwerten, die in Apps eingegeben werden. Da entsteht eine riesige Datenmenge, die wir sortieren wollen, um Faktoren herauszufiltern, die für die Prognose und die Diagnose wichtig sein können. Vielleicht gelingt es so zum Beispiel, einen Biomarker zu finden, dann braucht es vielleicht in Zukunft nicht immer eine Bauchspiegelung zur Diagnosestellung. Ganz allgemein ist die Hoffnung, einen Ansatz zu finden, wie man nicht nur die Symptome kontrollieren, sondern die Krankheit tatsächlich heilen kann. Das ist das Ziel.

Frau Rothkegel, Sie beenden bald Ihr Medizinstudium. Werden Sie dann auch in die Gynäkologie gehen und die Erforschung und Behandlung der Krankheit beruflich weiterverfolgen?

Maren Rothkegel: Ich werde vermutlich nicht in die Gynäkologie gehen, aber das Thema ist in allen Bereichen der Medizin wichtig. Oft kommen Patientinnen und Patienten, die Unterleibsschmerzen haben, damit zum Hausarzt oder zur Hausärztin. Das ist meistens die erste Ansprechperson, auch zum Beispiel für jüngere Personen, die bis vor Kurzem noch bei der Kinderärztin und noch nie beim Gynäkologen waren. Insofern bleibt gerade hier noch viel Aufklärungsarbeit zu tun.

ZUR PERSON

Privatdozentin Dr. Susanne Beyer ist Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der LMU München und Koordinatorin des dort angesiedelten Endometriosezentrums.

Maren Rothkegel auf dem MUG Science Slam 2024

Maren Rothkegel

slammt auch, um über Endometriose aufzuklären. | © LMU / Stephan Höck

Maren Rothkegel studiert an der LMU Medizin. Sie ist ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin, Endometriose-Patientin und Künstlerin. Mit einem selbstgeschriebenen und -komponierten Rap, in dem sie das Leben mit der chronischen Krankheit beschreibt, gewann sie 2024 den Science Slam der Münchener Universitätsgesellschaft in der Kategorie Freestyle. Das dazu in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Julia Brumm produzierte Video „Cycle of Pain“ wurde bereits im ersten Monat Tausende Male auf YouTube abgerufen.

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